Dietmar Gersdorf

Edmond Leupold

Besitzen alle eine Privatsprache und wissen bloß nichts davon?

Abstract:

A couple of months ago the authors came across the headline of a lecture on the possibility of a "private language". So we had a correspondence between Uppsala and Jena on themes like the use of the word "I" and the meaning of such sentences like "I feel pain". The following paper is based on this correspondence and comprises the main topics that were raised in it.

Vorbemerkung:

Dieser Dialog ist das Ergebnis eines längeren Briefwechsels über das Thema eines Vortrages, der leider nicht gehalten werden konnte, uns aber brennend interessierte. Unser Gedankenaustausch darüber war sehr intensiv und kontrovers. Da wir uns auch jetzt noch nicht einig sind, wie sich eine Lösung der angesprochenen Probleme anbahnen läßt, haben wir uns entschlossen, sie der öffentlichen Diskussion vorzustellen. Das Thema des Votrages lautete: "Privatsprache ist möglich, aber sehr anstrengend".

Leupold: Seit kurzem beschäftigt mich eine These, die ich im Umkreis der Diskussion des sogenannten Privatsprachenarguments gehört habe. Sie lautet etwa im Wortlaut folgendermaßen: Privatsprache ist zwar möglich, aber anstrengend. Ich vermute darin eine unzulässige Erweiterung des Begriffs "Sprache", verbunden mit einer Verwischung des Gehalts des Privatsprachenarguments bei Wittgenstein. Wie ich es verstanden habe, geht es ihm ja letztendlich um die definitorische Unmöglichkeit des mehrmaligen Gebrauchs eines Wortes innerhalb ein- und desselben Sinns. Mir macht es vor allem Schwierigkeiten, wollte man nun, um dieses These zu stützen, Wittgenstein ein Übermaß an Strenge bezüglich der Sinnidentität vorwerfen, da er ja selbst seinen ersten Versuch einer "konkreten" Sprache im Tractatus später in den PU verwirft. Was hältst Du von dieser These?

Gersdorf: Vor einiger Zeit habe ich ganz ähnliche Bauchschmerzen mit der Diskussion des Privatsprachenarguments gehabt wie Du. Ich glaube jedoch, daß ich mittlerweile eine Möglichkeit einer Argumentation gefunden habe, einige Deiner Bedenken abzuschwächen. Aus diesem Grund halte ich mich im folgenden an die Erörterung von Sprachspielen. Damit möchte ich mich von jenem, häufig beanspruchten Vorurteil distanzieren, das einem philosophisch werkelnden Autor unterstellt, er würde mit seiner Rede auf etwas weisen und behaupten: Die Dinge verhalten sich genau so und nicht anders.

Wie ist es möglich, daß wir aus Beobachtungen von Schweigenden, Geknebelten und Wortlosen darauf schlußfolgern können, daß sie der Sprache mächtig sind? Ein banales Argument dafür ist durch die Behauptung gegeben, daß wir aus vorhergehenden Beobachtungen wissen, daß jemand, drastischer ausgedrückt, daß Menschen reden können. Einer Person, die wir erfahrungsgemäß schon reden sahen, gestehen wir als äußere Beobachter den Besitz von Sprache zu, selbst dann, wenn sie schweigt. Auf dieses Argument möchte ich nicht näher eingehen, da es in seiner Struktur mit der Zuschreibung eines Prädikats der Form "besitzt Sprache" operiert. Das Beispiel des Papageis, der sagt "Papageien sind sehr intelligente Tiere, aber leider können sie nicht sprechen" soll uns genügen, um auf die Schwierigkeiten der Zuschreibung des Prädikats "besitzt Sprache" aufmerksam zu machen. Diesen Überlegungen schließt sich eine ganze Reihe anderer Probleme folgender, von empirischen Umständen beeinflußter Art an: Besitzen wir eine, von außen nicht wahrnehmbare innere Stimme? Ist Sprache ausschließlich ein der Spezies Homo sapiens sapiens zukommendes Gattungsmerkmal?

Sehen wir uns folgende Fragen an:

1. Wie werden die Wörter "Privatheit", "privat", "personell" usw. durch uns verwendet?

2. Wie ist es möglich, von "privaten" Ereignissen zu sprechen?

Fangen wir mit 2. an, Hinweise auf eine Antwort auf 1. ergeben sich daraus automatisch. Es wäre müßig, eine lange Deduktion für den Terminus privates Ereignis vorzunehmen. Man kann sich, was unsere Diskussion anbelangt, die Mühe sparen und die Philosophischen Untersuchungen von Wittgenstein aufschlagen, Stichwort: Schmerz. Nehmen wir folgenden Satz: "x hat Schmerzen." Wittgensteins Meinung bezieht sich darauf, daß ich nur in der ersten Person sinnvoll sagen kann, daß x Schmerzen hat. "Ich habe Schmerzen". Bei "x hat Schmerzen" in der dritten Person entsteht eine unkorrekte Bedeutungsannahme dann, wenn ich "hat" als Abkürzung eines intensionalen Prädikats ansehe. Wenn "x hat Schmerzen" als Kurzform von "x weiß, daß x Schmerzen hat" verstanden würde, unterlaufen uns mehrere Fehler bei der Verwendung der ersten Person. "Ich weiß, daß ich Schmerzen habe" ist zunächst einmal, für mich als dieses X gesehen, einfacher Unfug. Denn entweder habe ich Schmerzen oder ich habe keine. Ich muß es also nicht explizit wissen, daß ich Schmerzen habe. (Ich muß es nicht wissen, aber ich kann es wissen. - Das ist einer der springenden Punkte.) Wichtig hieran ist - wie immer in solchen Betrachtungen - die Art und Weise der Verwendung von "wissen".

Leupold: Noch einmal langsam. Z.B. ein Patient sagt also, wie Du meinst, "Ich weiß, daß ich Schmerzen habe", was nach Wittgenstein eigentlich gar nicht sinnvoll sein kann, da er doch den Schmerz einfach hat.

Gersdorf: Mit Deinem Einwurf berührst Du eine sehr schwache Stelle. Man kann sich aber folgendermaßen weiterhelfen, ohne die Argumentation aufgeben zu müssen. Es ist nämlich keineswegs raus, ob der Satz , "Ich weiß, daß ich Schmerzen habe" keinen Sinn hat. Ich kann mir einen Kontext vorstellen, in dem dieser Satz sehr wohl einen Sinn besitzt. Und dieser Kontext besteht z.B. in einem Gespräch zwischen Arzt und Patient. Der Satz ist genauso sinnvoll, wie der zum Schmerz anschwellende Reiz in irgendeiner Weise sowohl privat als auch "objektiv" ist. Im Jargon des Arztes könnte der Satz beispielsweise als Hinweis auf ein objektiviertes, subjektives Phänomen als sinnvoll bezeichnet werden.

Du hast natürlich recht, wenn Du einen allgemeinen Sinn des Satzes "Ich weiß, daß ich Schmerzen habe" bezweifelst.

Leupold: Zugegebenermaßen ist der Sinn eines Satzes, zumindest was Freges (und Wittgensteins) Auffassung angeht, kontetxtabhängig. Von wissen kann doch aber nur dann die Rede sein, wenn auch der Irrtum möglich ist. In meinem Schmerz, selbst wenn es sich um sogenannte Phantomschmerzen handelt, kann ich mich aber nicht irren. Wo ich mich nicht irren kann, kann ich aber auch nichts wissen.

Der Ausgangssatz, "Ich weiß, was unter den Bedingungen dieses Experiments ein Schmerz ist" ist entweder ein nachträglicher, also nach Beendigung des Experiments geäußerter, dann ist er korrekt. Das bedeutet aber nicht "ich weiß, daß ich Schmerzen habe". Oder der Satz ist als Schmerzausdruck gemeint, was dann immer noch nicht impliziert, "Ich weiß, daß ich Schmerzen habe".

Gersdorf: "Ich weiß, daß ich Schmerzen habe" kann doch aber auch als Schmerzausdruck durchgehen, oder?

Leupold: Von mir aus. Nun kann man sich vielleicht auch andere Konstruktionen erdenken, warum der Satz "Ich weiß, daß ich Schmerzen habe" eine sprachliche Korrektur und ein der Situation entsprechender Satz ist.

Doch ist hierbei, so denke ich, davon auszugehen, daß sich Wittgenstein solcher Möglichkeiten bewußt war. Er jedoch meint, im Unterschied zu Deinem Experiment, von normalsprachlichen Kommunikationssituationen auszugehen! Somit ist der Satz "Ich weiß, daß ich Schmerzen habe" für den überwiegenden Teil von Kommunikationssituationen offenbar sinnlos, vorausgesetzt man akzeptiert die Wittgensteinsche Terminologie. In dem Moment, wo der Patient Schmerzen hatte, konnte er also den von Dir vorgeschlagenen Satz in sinnvoller Weise äußern, selbst wenn der Arzt ihn richtig auffaßte und die Kommunikation nicht dadurch gestört wurde. Innerhalb der Wittgensteinschen Argumentation fällt mir auch kein Beispiel ein, das dieses "ich kann aber wissen, daß.." stützen könnte. Daß der Satz alltagssprachlich anwendbar ist und nicht auf Unverständnis stößt, kann hierbei außer acht gelassen werden.

Gersdorf: Meinst Du, daß dieser Satz nicht alltagssprachlich anwendbar ist? Laß mich weiter argumentieren. Also: Interessanterweise kann ich noch nicht einmal bei einem Fremden behaupten, ich wüßte, daß er Schmerzen hat.

Privatheit wäre genau dann gegeben, wenn es keines Prädikats mehr bedarf, um etwas (sprachlich??) auszudrücken, oder besser noch, daß es ein solches Prädikat gar nicht gibt. Jede Beschreibung eines Zustandes eines Individuums hat von vornherein mindestens zwei Dimensionen: eine Habens-Dimension und eine Dimension der deskriptiven, äußeren Zugänglichkeit.

Ein Pro der Sinnhaftigkeit der Verwendung solcher synthetischer Sätze wie "Ich weiß, daß ich Schmerzen habe" ergibt sich aus der Untersuchung der Kontexte. Ich kann mir Situationen vorstellen, in denen ich diesen Satz verwende, um eine Hypothese eines mich Untersuchenden darüber, ob ich Schmerzen habe, zu bestätigen. Wenn mich ein Arzt auf meine taktile Empfindlichkeit hin untersucht, dann kommentiert er dies vielleicht im Sinne der objektivierenden Anwendung einer medizinischen Schmerztheorie: "Und jetzt verstärkt sich der Hautreiz zum Schmerz". Diese Aussage kann ich durch einen solchen Satz wie "Jetzt weiß ich, wie unter den Bedingungen dieses Experiments das Wort Schmerz verwendet wird" (kurz: "Ich weiß, daß man das, was ich jetzt habe, Schmerzen nennt") bestätigen.

Leupold: Ich muß noch einmal nachfragen. Wie meinst Du das im Schmerzsatz mit "aber ich kann es wissen"? Wie kann das möglich sein? Dein Beispiel macht das nicht richtig klar. Wenn ich es Deiner Meinung nach falsch verstanden habe, dann kläre mich bitte darüber auf. Falls diese Formulierung tatsächlich falsch ist, müßte man über diese Stelle noch einmal gesondert reden. Außerdem halte ich Deine Ableitung von Satz 1 "Ich weiß, daß ich Schmerzen habe" für unmöglich.

Gersdorf: Dann hast Du mich entweder nicht verstanden oder ich habe wieder einmal in alter akademischer Philosophenmanier zu viel Blabla drumherumgeredet. "Ich weiß, daß ich Schmerzen habe", ist eben nur dann ein sinnvoller Satz, wenn er in einem entsprechenden Kontext betrachtet wird. Man kann doch aus dieser Überlegung zweierlei lernen: Zum einen, daß es an äußere Bedingungen gebunden ist, über einen Zustand in dem man sich befindet, einen Satz zu äußern, der jemanden eine Vermutung oder Erklärungsvorschrift über einen selbst bestätigt. Zum anderen könnte man jemanden annehmen, der zwar schon Schmerzen hatte, dem aber die Erfahrung mit einer spezifischen Art von Schmerzen fehlt. In diesem Fall ließe sich der Satz : "Ich weiß, daß ich Schmerzen habe" dahingehend modulieren, daß man sagt: "Durch äußere Bestätigung eines bestimmten Ereignisses an mir habe ich es gelernt, diesem Ereignis die Bedeutung von `Ich habe Zahnschmerzen' zuzuordnen."

Immer geht es dabei um die Unterscheidung von "wissen", "glauben", "haben" usw. und nicht um ihre endgültige, definitorische Festlegung. Die Unterscheidungen werden erst dann relevant, wenn:

1. jemand in Schwierigkeiten gerät, dem Gesagten überhaupt eine Bedeutung zuzuordnen,

2. es keine Konventionen über die Verwendung gibt,

3. Verwendungen als ausdrücklich falsch angesehen werden,

4. lebensbedrohlicher Humbug durch Mißverständnisse entsteht.

Das spricht - dies ist mein Hauptargument - für den aus seiner konventionellen Perspektive berechtigt erscheinenden, an der Untersuchung der Normalsprache festhaltenden, philosophischen Zweifel daran, daß es personell bedingte, fest definierte und damit singuläre Bedeutungen sprachlicher Ausdrücke gibt. Das heißt nicht, daß diese unmöglich, sondern nur, daß sie schwer vorstellbar sind und aus diesem Grund als irrelevant abgelehnt werden. Darüber hinaus bezieht sich die Kritik am Privatsprachenargument auf einen konventionellen und tradierten Sprachbegriff.

In diesem Zusammenhang werden sprachliche Ausdrücke erst dann interessant, wenn sie die Eigenschaft der Wahr-und Falschheit aufweisen. Die Verwendung von nur falschen oder von nur wahren Aussagen wird als gekünstelt, alogisch bzw. mystisch abgelehnt. (Was negiert ist, kann negiert werden - Negationsgesetz, doppelte Negation usw.)

Versuchen wir einmal, ein Argument für die Möglichkeit einer Privatsprache durch die Annahme einer Substruktur des Ich zu diskutieren. Das Augenmerk wird dabei auf den als nicht hinterfragt vorausgesetzten Begriff "Ich" gerichtet.

Wodurch bin ich ein "Ich"? Auf jeden Fall ersteinmal nicht dadurch, daß ich die Entdeckung mache, daß ich eines bin. Das wäre ein cicrulus vitiosus und kann zu den philosophischen Akten gelegt werden. Es läßt sich übrigens auch nicht als conditio sine qua none aus der Kantschen transzendentalen Apperzeption (das bei dem Denkvorgang ein "Ich denke" bereits vorhanden ist) ableiten.

Wie dann? Durch die Einführung eines Erfahrungsbegriffs. X erfährt durch das Erlernen der Sprache, daß er einen Namen besitzt und diesen bei der Verwendung der ersten Person in Beziehung zu sich setzen kann. Es hat sprachphilosophisch gesehen also nur dann Sinn, "ich" zu sagen, wenn es um eine Ordnung im Diskurs geht. Wir haben es hier mit einem Ich-Verständnis zu tun, das empiristische Momente, die grammatikalische Zeigefunktion bei der Verwendung der ersten Person Singular und die grammatische Repräsentation der anderen Pronomina als ontologisch-soziale Bedingungen voraussetzt.

Dadurch ergeben sich nun, bezogen auf die Möglichkeit der Konstruktion der Substruktur eines "Ich" einige neue, in die intendierte Richtung weisende Aspekte der Argumentation.

Verdeutlichen wir uns dies anhand einer Hilfskonstruktion:

(1) Nehmen wir an, daß das Ich nichtsubstanzialistisch und nicht naturalistisch verstanden werden soll, dann liegt es außerhalb des Fokus unseres Interesses, seine real-ontologische Struktur nachzuweisen.

(2) In der Substruktur tauchen Instanzen auf, die die Funktion von Repräsentationen oder Imaginationen von (mindestens) einigen anderen Individuen bzw. des Kollektives, der Gruppe, der sozialen Gemeinschaft usw. ausüben. Diese Instanzen lassen sich auf unterschiedliche Weise verstehen. Zum einen so, daß sie in einer beliebigen, aber nicht in der ersten und der dritten Person Singular und in der dritten Person Plural angesprochen werden können. Zum anderen lassen sie sich als Bedingungen dafür begreifen, daß wir überhaupt die erste Person Singular anwenden können.

(3) Zurück zum Privatsprachenargument: Könnte man Privatsprache nicht so verstehen, daß das ichsagende Subjekt eine zwar subjektinterne aber nichtsubjektive Instanz anspricht, etwa die Repräsentation der Gemeinschaft oder eines anderen Individuums, von mir aus auch sein Spiegelbild? Zeigt nicht jedes Spiegelbild nur ein Bild des Phänotyps des gespiegelten Individuums aus einer bestimmten Perspektive? Ändert sich dieses Perspektive, erhalten wir ein anderes Bild. Die Diskussion über die Probleme der Symmetrie zwischen Dir und Deinem Spiegelbild sparen wir uns an dieser Stelle. Es ist eine Leistung unseres Kopfes, diese Perspektiven zusammenzuführen. Also Edi 1, Edi 2, Edi n werden durch eine Art von Geometrie und Perspektivenlehre in unserem Kopf zur Gesamtschau von Edi zusammengebaut.

Aber damit ist noch nichts über das Innenleben des Gesamtedi oder eines Teiledi gesagt worden. Hier tritt plötzlich ein naturalistischer Fehlschluß zu Tage: Sobald wir damit beginnen, etwas aus unserer Selbstkenntnis auf das Spiegelbild zu übertragen, gestehen wir dem Spiegelbild plötzlich ein Eigenleben zu und machen es zu etwas Ähnlichem wie eine relativ eigenständige, doch von uns abhängige Person.

An einem solchen Spiegelbild kann ich - so wie es ein Schriftsteller oder wir im Selbstgespräch tun - bestimmte Funktionen, die ich an anderen Personen und auch an mir selbst festgestellt habe, simulieren.

Daß dies nun sehr häufig oder auch immer bei allen Personen der Fall sein kann, ist kein Argument für die Bestätigung der landläufigen Vorstellung von Privatsprache, sondern ein Argument eher dagegen und für unsere Einbindung in externe Diskurse oder das, was ich eingangs als "äußere Sprache" bezeichnet habe, entscheidend.

(4) Ein anderes Argument für den hier vorgestellten Gedankengang liefert die modernere Ethik: Auch in Abwesenheit anderer Personen kann ich moralische Urteile fällen. Ich muß es nur irgendwann vorher gelernt haben. Was nehme ich dafür zur Hand? Nun, die in mir präsente gemeinschaftliche Instanz der Sanktionierung oder Ablehnung bestimmter, von mir beabsichtigter Handlungen. Die (privatsprachliche) Frage an diese Instanz in diesem Zusammenhang wäre: Kann die Gemeinschaft mein Handeln dulden oder wird sie es ablehnen?

(5) Wie kann dieses Hinwenden an eine interne Instanz erfolgen? Mir fällt hier nur der Terminus "Gedanke" in der Fregeschen Verwendung ein. Von mir aus kann man auch über ein internes, quasisprachliches Zeichensystem mit eigenen Kodierungs- und Dekodierungsregeln in diesem Zusammenhang sprechen. Fraglich ist, ob diese Kodierungs- und Dekodierungsregeln sprachlicher Natur sind, was ich vorhin versucht habe in Zweifel zu ziehen.

(6) Greift man Punkt (5) auf, dann lassen sich einige Möglichkeiten der Führung eines inneren Diskurses ausmalen, der auf nichtsprachlicher Basis beruht. Zum Beispiel könnte man die Bildvorstellungen, die zwischen präsenter Instanz und ichsagendem Subjekt zu bestehen scheinen, in sprachliche Vorstellungen übersetzen. Daß hieße, eine defizile Symbolwelt in sprachliche Muster zu zerbröseln, vorausgesetzt, wir haben Übersetzungsregeln zur Hand. Warum werden nicht solche genommen, wie wir sie durch Fragen an andere Individuen richten können: "Wie machst Du es denn, wenn Du...?"

(7) Stellen wir uns vor, daß wir uns in einem Gespräch jeden Satz, den wir einem Gesprächspartner sagen wollen, vorher stumm in unserem Kopf zurechtbasteln würden. Sicherlich verdoppeln wir damit unseren Anteil am Gespräch. Nehmen wir einen schwierigen Fall: Beispielsweise haben wir eine Vorstellung von etwas Komplexen (z.B. von Liebe oder von der Welt), die uns durchaus plausibel ist und wollen diese unserem Gesprächspartner mitteilen. Nun stoßen wir aber auf die Grenze unserer Ausdrucksmöglichkeiten. Also klare Vorstellung und unklare, beschränkte Ausdrucksmöglichkeit. Wollten wir ständig davon ausgehen, daß wir solche komplexen Vorstellungen vereinfachen müßten, haben wir immense Schwierigkeiten mit der Privatsprache. Wenn wir uns nun bemühen wollten, immer so zu verfahren, hätte das einige Konsequenzen für alle unsere Redeweisen. (Nebenbei bemerkt steckt auch hier nicht zwingend ein Übersetzungsproblem aus der Privatsprache in die äußere Sprache dahinter.)

Zum einen komplizieren wir die von uns als Privatsprache bezeichneten inneren Zeichensysteme, d.h., wir machen uns das Leben an diesem Punkt schwer. Zum anderen erschweren wir den Diskurs mit unserem Gegenüber, da wir bestimmte Momente eines Sprechaktes wie etwa seine zeitliche Dimension durch unsere privatsprachliche Gesprächssituation künstlich verlängern.

Einige andere Möglichkeiten, wie die Konnotation eines komplexen Sachverhalts mit einem einfachen Begriff etc., lassen wir lieber außer acht, da sie uns zu ähnlichen Ergebnissen führen würden.

Leupold: Ich stelle mir gerade die Frage, wie Wittgenstein sich Kriterien für eine Privatsprache gedacht haben könnte und stoße zuerst auf das Ausgangsbeispiel: "Empfindungen sind privat", was auch eine belehrende oder warnende Aussage sein kann. Die Idee, das Aufgreifen der Möglichkeit privatimer Ausdrücke wird durch den Versuch inspiriert, die Privatheit der Empfindungen in sprachliche Formen zu übertragen, also Erlebnisse, Gefühle, Stimmungen etc. so darzustellen, daß nur der Sprechende davon wissen kann. Es soll als zwar nach außen transportierbar, aber für andere nicht verständlich (PU 243) sein. Hier wäre schon ein prinzipieller Einwand gegen Dein Beispiel der inneren Kommunikation von 2,3 oder mehr "Ichen". Das ist aber nicht wesentlich, da man ja den "Ichen" in Deinem Beispiel solche Ausdrücke zugestehen könnte.

Eine zweite Voraussetzung ist die "notwendige" Privatheit, die ja in Deinem Beispiel gegeben zu sein scheint, da Du von einer Person ausgehst.

Ein Hauptargument, das Wittgenstein gegen eine Privatsprache vorbringt, ist die Unmöglichkeit des privatimen Regelfolgens. Hier liegt dann einer der Knackpunkte. Dein Beispiel setzt voraus, das wir die Öffentlichkeitsinstanz auch als Element einer Substruktur annehmen können. Zu prüfen wäre also, ob Wittgenstein - wenn wir über Wittgenstein sprechen wollen - die Substrukturierung einer Person, eines Ichs, eines Geistes oder was sonst wir hier einsetzen können, annimmt bzw. zulassen würde.

Meines Erachtens ist diese Annahme abwegig, was folgende Beispiele zeigen: "Ich weiß, daß ich Schmerzen habe". Dieser Satz wäre ja durch Deine Annahme sinnvoll und vor allem auch dieselben Kriterien, warum Privatsprache unmöglich ist, denn sonst müßte er die Zuweisung der Öffentlichkeitsinstanz an ein Ich bedacht haben. Dann das Regelfolgen: insofern Wittgenstein so etwas annehmen würde, müßte er auch die prüfende Instanz annehmen, die das Regelfolgen "überwacht". Oder die Idee der privaten, hinweisenden Definition, die ich dann einem anderen Ich geben könnte: Für den Kontext gälte dies ebenso für die Korrekturmöglichkeit des einen Ich gegenüber den anderen. Wittgenstein macht dies auch deutlich am Fall der Schmerzäußerung in der ersten Person, bezüglich der er kein Kriterium der Überprüfbarkeit der Äußerung auf ihre Wahr-oder Falschheit angibt.

All das zeigt, daß Wittgenstein diese Art von Substruktur, wie Du sie vorführst, generell nicht annimmt.

Gersdorf: Das mit dem Regelfolgen ist so eine Sache: Wenn Du sagst, daß Wittgenstein ausdrücklich ausschließt, daß eine Privatsprache Regeln besitzt, dann stimme ich Dir - pro forma - erst einmal zu. Gegen Wittgenstein hilft aber nur Wittgenstein. Daß heißt, wir sollten ruhig danach fragen, ob der Regelbegriff nicht auch nur in Kontextabhängigkeit Sinn erhält. Anders herum gesagt: Ist der Rückschluß gerechtfertigt, wenn man behauptet, daß keine Regeln existieren, wenn man keinen Regeln folgt? Sicherlich nicht, das wäre einfach zu einseitig gedacht. Besser ist zu sagen, daß man in diesem Fall keine Regeln erkennt, denen man folgen sollte. Dahinter verbirgt sich meines Erachtens ein Ordnungsprinzip, das uns die Möglichkeiten gibt, Regeln festzustellen. Wenn ich Regeln ausdrücklich bestimmen kann, dann kann ich sie auch negieren, daß heißt, ich kann etwas ebenso ausdrücklich als keine Regel bezeichnen. Was ich damit sagen will ist, daß es nur Sinn hat über Regeln zu reden, wenn man sie mit einem Negat versehen kann und ihnen nichts wesenhaft Substantielles andichtet. Wo es keine Regeln gibt, können sie nicht negiert werden. Insofern kann man nicht behaupten, daß eine Privatsprache Regeln hätte. Über Regeln und ihre Negationen (und Regelfolgen) zu reden, ist nur im Kontext der Sprache (L), zu der diese gehören, sinnvoll. Es ist m.E. sogar sinnlos, wenn man sagt: "Privatsprachen folgen keinen Regeln". Einen Sinn, freilich nicht ausschließlich innerhalb von L, kann dagegen folgender synthetischer Satz haben: "Die Möglichkeit, daß eine Privatsprache Regeln besitzt, läßt sich von einem Betrachter, der auf dem Boden von L steht, nicht ausschließen." Die polare These, aus der Perspektive des privat Sprechenden formuliert, könnte lauten: "Immer dann, wenn ich etwas Privatsprachliches äußere, ist es Dir unmöglich, die Regeln zu erkennen, denen ich gefolgt bin." Insofern kann man generalisierend sagen - was unter anderem bedeutet, sich über Individualität und Privatheit hinwegzusetzen -, daß Privatsprachen natürlich nicht unter dem Aspekt des Regelfolgens untersuchbar sind. Es wird somit festgestellt, daß es außerhalb jenes Kontextes, den wir als "Sprache" bezeichnen, keine sprachlichen Regeln gibt.

Damit will ich natürlich nicht behaupten, es gäbe (im Sinne von: Es existiert ein Ding derart, daß..) Privatsprache. Ich möchte nur immer wiederholen, daß wir nicht genügend Argumente vorbringen können, um ihre Möglichkeit - philosophisch gesehen - ganz auszuschließen.

All die hier vorgebrachten Argumente beziehen sich auf einen noch nicht bezeichneten Hintergrund: Sprache ist Lebensform. Lebensform setzt voraus, daß sich - nicht Wittgensteinisch gesprochen - ein Individuum innerhalb einer Sprechergemeinschaft befindet und Sprache in diesem Verständnis lernen muß. Korrekter ausgedrückt müßte es heißen, daß man sich, wenn man Sprache lernt, eigentlich alles mögliche wie Konventionen, Regeln (auch jene Regel Regeln zu bilden), Lexik, Grammatik, Syntax und Sprachungenauigkeit sowie die Grenzen all dessen aneignet, bloß nicht die Sprache an sich. Das bedeutet, daß Sprache nicht metaphysisch aus dem Begriff "Sprache" deduziert wird.

Die Privatsprache kann in dieser Hinsicht kein Konkurrent zur Normalsprache sein. Sie kann aber im Kontext der Lebensform erzeugt werden, wenn sie der logischen Form der von der Sprechergemeinschaft erlernten Sprache entspricht. So verstanden ist "Privatsprache" ein Zeiger auf eine Möglichkeit der Logik resp. der Vorstellungskraft, sich durch syntaktische Operationen ein Problemfeld zu erschließen.

Ein Kind, das sich eine unkonventionelle Sprache ausdenkt, etwa im Sinne eines "primitiven" Sprachspiels, nutzt die Vielfalt der Sprache und deren Plastizität in der Erfassung oder auch Bildung der Realität. Wenn dieses Kind irgendwelche Wörter (etwa GRMPLFLZL) bildet, dann könnte man meinen, dies müßte auch der Zeigekonvention entsprechen. Das ist natürlich Unfug, weil die einzige Stelle, auf die man zeigen könnte, wenn man das Kind auffordern wollte, auf GRMPLFLZL zu zeigen, die Stirn wäre.

Solche Begriffe wie Ich, Selbst, Privatheit oder auch Person und Individuum besitzen einen ähnlichen Status wie GRMPLFLZL mit der Einschränkung, daß auf sie die Zeigekonvention in bestimmter Weise z.B. durch die Benutzung hinweisender Definitionen angewendet wird.

Denken wir uns den Fall, es gäbe eine Art Sprache zwischen einem Ich und einem anderen Ich, die zudem, je nach der Perspektive der Betrachtung, ein- und dasselbe und auch wieder nicht ein-und dasselbe sind. Wer oder was legt die Perspektive bzw. die Zuordnungen und Unterscheidungen zwischen Ich 1 und Ich 2 fest? Wie kann ich erklären, daß es möglich ist, daß ein Ich zu sich selbst spricht und dabei feststellt, daß es auch nicht zu sich, sondern zu etwas spricht, das aktuell durch irgend etwas verursacht, von ihm verschieden ist? Eine Annäherung an diese Fragestellung ist wiederum dort zu erwarten, wo man annimmt, daß das Ich eine Art Substruktur besitzt. Diese Substruktur würde so etwas wie die Realisation der Vorstellung der Trennung des Ich in einen aktuell aktiven und einen aktuell passiven, von mir aus auch in einen sprechenden und einen zuhörenden Teil, darstellen.

Leupold: Zu Deinem eben vorgetragenen Sprachspiel. Da innerhalb des weiten Sprachbegriffs Wittgensteins Dein Sprachspiel einen Platz finden kann, den es als solches gekennzeichnet einnimmt, ist vermutlich die Ausgangsfrage anders zu stellen.

Sehen wir uns doch einmal die Argumente an, warum Wittgenstein meint, daß "Privatsprache" unmöglich ist. Es ist zwar interessant und vielleicht einleuchtend, ein Beispiel präsentiert zu bekommen, doch müssen wir den umgekehrten Weg gehen.

Zuvor muß aber meines Erachtens die Frage geklärt werden, was diskutiert werden soll. Ich denke nämlich, daß Dein Beispiel in einem gewissen Sinn von "Privatsprache" annehmbar ist. Zu fragen ist also, ob generell über die Möglichkeit von Privatsprache gesprochen werden oder ob das Beispiel als Kritik an Wittgenstein aufgefaßt werden soll, der von der generellen Unmöglichkeit von Privatsprache, resultierend aus seiner Gesamtsicht auf Sprachen spricht. Wenn wir über Wittgenstein sprechen wollen, muß die Wittgensteinsche These im Rahmen der Wittgensteinschen Auffassung auf Konsistenz und Stringenz geprüft werden. Alles andere wäre ein Sprechen über ein Homonym, aber nicht über Privatsprache bei Wittgenstein. Du könntest jetzt entrüstet sagen, Du hast die Argumente, die Wittgenstein vorbringt, alle diskutiert. Das stimmt zum Teil. Ich finde die Öffentlichkeit, das Regelfolgen, die Kontextualität und andere.

Gersdorf: Ich denke, daß man sich in einem Zwiespalt befindet, wenn man Wittgenstein einerseits ernst nimmt und andererseits seiner Aufforderung im Tractatus folgen möchte, methodisch so zu verfahren, daß man aus seiner Art zu philosophieren keine Orthodoxie entlehnt. Mir gefällt eher der zweite Aspekt, da er die Möglichkeit bietet, Argumentationen zu entwerfen, die Wittgenstein selbst nicht vorgetragen hätte.

Leupold: Nun gut, aber Dein Vergleich der Gemeinschaft mit einer angenommenen oder vorhandenen komplexen Strukturierung der Persönlichkeit und die daraus folgende Annahme, daß die Zuweisung von einzelnen Instanzen möglich wäre, hinkt an der Stelle, wo Du die Gemeinschaft der Individuen mit der Gemeinschaft der internen Iche gleichsetzt. Richtig oder annehmbar ist, daß die Repräsentanz der Gemeinschaft in mir vorliegt. Auch wenn wir die Gemeinschaft als Körper verstehen und nicht aus einzelnen Atomen bestehend annehmen, also als etwas lebendiges, wie Du sagst, so ist doch schwerlich zu übersehen, daß die Gemeinschaft als Körper etwas anderes ist als die Person als Körper. Denn nur wenn Du sie gleichsetzt, kannst Du eine nicht subjektive Instanz innerhalb der Person ansprechen.

Ein wichtiges Argument gegen die tatsächliche oder wirkliche Setzung von mehreren Ichen in einer Person und somit für die Wittgensteinsche These von der Möglichkeit von Privatsprache ist folgendes: Jeder kennt die Beispiele, in denen jemand vorgibt, Schach gegen sich selbst zu spielen oder mit sich selbst Skat zu spielen oder andere Gemeinschaftsspiele. Wenn Du es einmal probiert hast, weißt Du, daß es tatsächlich (!) oder wirklich (!) nicht möglich ist, gegen sich selbst Schach zu spielen. Selbst wenn Du längere Zeit das Spiel liegen läßt, um Deinen letzten Schachzug zu vergessen, sobald Du Dich dem Spiel wieder widmest, fällt Dir die Idee des vermeintlichen Gegners wieder ein. Stell Dir die Spiele als Frage- und Antwortspiele oder als Rede und Gegenrede vor. Der Fragende weiß die Antwort immer schon mit der Frage. Der Redende weiß die Gegenrede. Wenn Du sagst, daß das nicht so sei, dann müßte auch das Schachspielen gegen sich wirklich (!) möglich sein.

Wir führen zwar oft Selbstgespräche mit Zuweisung von Ich, Du oder Er usw., aber es sind nicht wirklich Subjekte, die da miteinander plaudern. Du kannst Dir gewiß so etwas wie ein Freudsches Ich, Es und Überich denken oder das Auseinanderdividieren in Körper und Geist (was ja in solchen Sprachspielen gelegentlich getan wird) oder Du setzt ein fiktives Gespräch zwischen Dir und Sabine oder ähnliches an. Doch es sind nie tatsächlich einzelne Subjekte, Instanzen oder wie auch immer daran beteiligt.

Für das Kind, das schöpferisch GRMPLFLZL bildet, besteht ebenso kein Kriterium, das dem Kind selbst zukommt, bzw. was das Kind selbst anwenden kann, um den Sinn der Idee im immerselben Rahmen zu verwenden. Das ist das Beispiel mit der Empfindung "E" (PU 258). Das Kriterium für die Richtigkeit des Hinweisens, das vermutlich "E" fehlt. Was mit all den anderen Kriterien ebenso zusammenfällt.

Gersdorf: Der große Unterschied zwischen der Annahme der tatsächlichen, faktischen Existenz mehrerer Iche und der Simulation einer Ichinstanz durch eine Person besteht doch vor allen darin, daß wir es mit zwei unterschiedlichen Arten der Diskussion zu tun haben. Wenn Personen betrachten, die als Helden in einem Roman einen Dialog führen, würden wir ja auch nicht behaupten, daß sie faktisch existierten und falls sie tatsächlich existierten (etwa im Ausnahmefall eines penibel recherchierten, dokumentarisch angelegten, historischen Romans) , dann würden wir nicht behaupten, daß sie so und nicht anders und damit wirklich geredet hätten.

Die Frage, ob ich mit mir selbst (oder gegen mich) Schach spielen kann, läßt sich nicht pauschalisierend bejahen oder verneinen. Natürlich kann ich mich nicht als natürliche Person zerteilen. Ich kann aber so tun, als ob ich es könnte. Wenn ich einen Gegner beim Schachspielen simuliere, dann ist er prinzipiell präsent. Recht hast Du, wenn Du meinst, daß es kein ebenbürtiger Gegner ist. Die Frage ist falsch gestellt, wenn man eine Antwort darauf erwartet, ob man wirklich und prinzipiell gegen sich Schach spielen kann. Wenn ich einen Gegner simuliere, dann ist er mein Produkt, egal welche Freiheitsgrade ich ihm zubillige. Wenn ich das Schachspiel beendet habe, dann gibt er den Geist auf, er hat seine Schuldigkeit getan. Er existiert relativ, bezogen auf einen von uns gesetzten Zweck. In einer bestimmten Weise ist er Einwohner einer möglichen Welt, wie Rotkäppchen. Wir müßten unsere Weltordnung in Zweifel ziehen, wenn wir Rotkäppchen im Supermarkt begegnen würden. All den Kaufhaus-Weihnachtsmännern gestehen wir ja - quasi selbstverständlich - zu, Simulationen zu sein, die uns von Studenten oder Schauspielern dargeboten werden.

Die Frage ist nicht, ob es ausgeschlossen ist, daß ich mehr als nur eine Person sein kann, sondern, wie die Ungereimtheiten auszuräumen sind, die sich durch die Annahme ergeben, der Bestand der wirklichen Person sei durch die Existenz möglicher simulierter Personen in einer existentiellen Weise gefährdet.

Wenn ich nun unterschiedliche Personalitäten simulieren kann, dann kann ich diese auch in einer ganz privaten Weise, intern kommunizieren lassen. Das fällt dem einen schwerer als einem anderen. Damit wird die Grenze der Diskussion darüber verlagert, ob Privatsprache möglich ist. Und eigentlich dreht sich diese Diskussion ja nicht darum, wie eine Privatsprache als Pendant zu einer wirklichen Sprache beschaffen sein muß, sondern darum, wie festgefügt unsere Vorstellungen von Sprache und Individuum sind.

Privatsprache ist eben möglich, aber äußerst (philosophisch wie praktisch durchgeführt) anstrengend.

Anschriften der Verfasser:

Dr. Dietmar Gersdorf

Steinweg 35

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Edmond Leupold

c/o Al-Baghdadi

Leretingsg. 1

S-75430 Uppsala

Svergie