Bernd Villhauer

Die philosophische Einführung als Entwicklungsroman

'Exploring Philosophy' ist die überarbeitete Fassung von 'The Philosophical Quest', einer Einführung in die Philosophie, die 1988 erstmals erschien. Obwohl es sich um ein philosophisches Buch handelt, finden sich unterschiedliche 'Erzählebenen' in ihm. Es treten im wesentlichen zwei Personen auf: die Erzählerin selbst, deren Fortschritte in der Philosophie wir begleiten und eine ältere Freundin (die bezeichnend den Namen 'Sophia' trägt). In den Briefen, die Sophia an die Erzählerin schreibt, werden verschiedene Epochen der Philosophiegeschichte mit ihren Problemstellungen erläutert. Brenda Almond versteht es aber, das erste Stellen der letzten Fragen, die Neugier und Ungeduld der Schülerin so zu schildern, daß man an einigen Stellen ganz erstaunt wahrnimmt, wie sich plötzlich die Perspektive wandelt und deutlich wird, daß die Autorin schon auf eine Fülle von Erfahrungen mit dem Fach zurückblicken kann. So haben wir es im Grunde mit drei Sichtweisen zu tun, die einander gegenüberstehen und sich ergänzen: Mit der Schülerin, der weisen Freundin Sophia (die selbstverständlich auf einem Schloß wohnt) und der erwachsenen Philosophielehrerin, die auf ihre eigene Entwicklungsgeschichte zurückblickt. Spannend und faszinierend wird das Buch nicht aufgrund irgendeiner Handlung, die der Behandlung von philosophischen Problemen noch angehängt wird, sondern an jenen Stellen, an denen man spürt, daß persönliche Entwicklung und philosophische Einsicht einander berühren.

Verderbliche Ware

Will man 'Philosophie verkaufen', dann reicht es nicht, neue Formen und Medien zu wählen oder mit flotter Schreibe auf veränderte Rezeptionsbedingungen einzugehen. Man muß vielmehr ein Auge dafür haben, wo philosophische Fragen die Menschen selbst berühren und auf diejenigen Grundfragen verweisen, welche heutzutage zu oft und zu vorschnell von den falschen Heiligen des 'New Age' oder den Seelenklempnern aller Art beantwortet werden.

Die Philosophie selbst muß diese Fragen aufgreifen und sich nicht zu fein sein, die Ängste und Hoffnungen der Menschen (auch außerhalb der Universität!) zu ihrer Sache zu machen. Besonders wichtig ist hierbei, daß einige Bestandteile der Massenkultur von sich aus schon eine bestimmte Dynamik hin zu tiefergehenden Fragen haben. So wie manche Literaturformen, die man traditionell zur Massenkultur zählt, Anschluß- und Erweiterungsflächen für die Philosophie aufweisen, so wird man auch im Bereich der neuen und neuesten Medien philosophische Relevanz ausmachen und zwar meist da, wo man sie nicht erwartet. So wie die Spionageromane John le Carrés existenzphilosophische Argumente anführen oder in fast jeder Folge der amerikanischen Science-Fiction-Serie 'Star Trek' ('Raumschiff Enterprise') Fragen zur philosophischen Begründung von Demokratie und Toleranz sowie den ethischen Aspekten technologischen Fortschritts gestellt werden, so kann man sicher auch in der schönen neuen Welt der Computernetze und virtuellen Realitäten das Fragen (und zwar das bohrende Fragen, das den Philosophen so unsympathisch und die Philosophie so notwendig macht) nicht ganz vermeiden.

Wege zur Philosophie

Was zeichnet nun aber die sogenannten klassischen, philosophischen Einführungswerke aus? Nach meiner Erfahrung gibt es im wesentlichen zwei Typen: die 'subjektiven' und die 'objektiven'. Unter den 'subjektiven' verstehe ich solche, die im Grunde nur der Einführung in eine spezielle Philosophie dienen; der Autor erklärt in ihnen auf möglichst leichtfaßliche Art und Weise seinen speziellen philosophischen Ansatz und macht klar, wie er zur Philosophie kam und zu welchen Schlüssen er bisher gelangte. Die 'objektiven' Einführungsbücher bemühen sich, einen vollständigeren Überblick zu geben, sie listen brav alle philosophiegeschichtlich relevanten Autoren auf; in ihnen überlassen die Autoren gerne anderen das Wort und halten mit der eigenen Meinung hinter dem Berg.

In 'Exploring Philosophy' wird eine Art Mittelweg eingeschlagen mit dem Versuch, persönliches Anliegen und philosophiegeschichtliche Diskurse in ein Gleichgewicht zu bringen. Almonds Lieblingsthemen wie die Entwicklung der Familie unter dem Einfluß technologischer Neuerungen (beispielsweise durch Verpflanzung von Embryonen) und der Zusammenhang zwischen Ethik und analytischer Philosophie spielen natürlich eine zentrale Rolle. Länger wird auch die Theorie der Rechte diskutiert.

Rechte?

Bei der Idee der Rechte, wie sie Brenda Almond hier ausführt, ist nicht vor allem ausschlaggebend, 'woher die Rechte kommen' oder wie sie begründet werden, sondern welchen Zweck sie in der moralischen Reflexion einer Gesellschaft erfüllen können. Eine Gemeinschaft einigt sich auf Rechte als Grundlage des gegenseitigen Respekts.

Aber besteht nicht ein direkter Zusammenhang zwischen der Begründbarkeit der Rechte (wie auch anderer moralphilosophischer Setzungen ) und ihrer Wirksamkeit? Damit eine Person A die Rechte anderer Personen B, C, ... respektiert, muß sie daran glauben, daß diese Rechte mit den objektiven Realitäten, die Person A anerkennt, in einem Zusammenhang stehen. In schwierigen Entscheidungssituationen wird das 'Recht' nur dann handlungsleitend wenn es Teil einer individuellen Weltbeschreibung ist.

Die Wichtigkeit, die Brenda Almond in ihrem neuen Buch einer solchen Frage zubilligt, zeigt unter anderem auch, welchen Stellenwert die öffentliche ethische Diskussion im angelsächsischen Sprachraum mittlerweile hat

Die Anfragen, die an die Philosophie gerichtet werden, sind nun einmal auch weitaus stärker ethischer Natur als viele Philosophen das wahr haben wollen. Wenn 'Normalbürger' sich beginnen für Philosophie zu interessieren, dann sehr oft aus der Erfahrung persönlicher moralischer Dilemmata oder nicht allein zu bewältigender Lebenskrisen heraus. Die Philosophie muß die Ethik ernst nehmen, um selbst in der Gesellschaft ernst genommen zu werden.

Und da ein gemeinsames Wertefundament nicht mehr besteht, der Konsens einer (auch noch so verdünnten) christlichen Moral aber hinfällig geworden scheint, sollte die kritische Neubegründung von ethischen Perspektiven, wie sie beispielsweise in der analytischen Ethik versucht wird, auch außerhalb von Amerika und England ernst genommen werden.

Brenda Almond: Exploring Philosophy, Blackwell, Oxford 1995