von Meinberg, Eckhard, merus verlag, Hamburg 2007. 224 Seiten.
ISBN: 3-939519-01-4.
(Jena/ Deutschland)
Diverse Dopingenthüllungen in den letzten Jahren lassen immer mehr Zweifel an der „Sauberkeit“ des Sports aufkommen. Nahezu alle Sportarten und Nationen scheinen von dieser „Epidemie“ namens Doping befallen zu sein. Mehr noch: Doping ist ein Phänomen, das den ganzen Sport betrifft, und selbst vor Amateur- und Freizeitsport nicht Halt macht. Doping, so die Führungshypothese Meinbergs, zerstöre die beiden Naturen des Menschen, die ihm als natürlichem Wesen einerseits und sittlichem Wesen andererseits innewohnen, und trage damit zu einer regelrechten „Kulturzerstörung“ bei. Aus diesem Grund sieht Meinberg den Dopingsport als eine „auch ethische Herausforderung“. Er warnt den Leser jedoch vor einer „Ethikbesessenheit“ und rät von einer normativen Auslegung seines Buches ab. Vielmehr solle man in ihm den Versuch sehen, ein ethisches Panorama des Dopingsports zu zeichnen und aufzuzeigen, wodurch ein humaner Sport gesichert werden kann.
Zunächst geht Meinberg auf drei ethikskeptische Positionen ein. Er wehrt sich gegen die Auffassung professioneller akademischer Stimmen, dass Ethik „eine mehr oder minder stumpfe Waffe im Dopingkampf“ sei. Dabei stellt er überblicksartig die verschiedenen sportethikkritischen Positionen des Systemtheoretikers Luhmann, des Philosophen Gebauer und des Soziologen König dar und zeigt gleichzeitig deren Schwachpunkte auf. Allen ist gemeinsam, dass sie sich in nur essayistischer Form mit der Dopingproblematik beschäftigt haben. Aus diesem Grund geht Meinberg im weiteren Verlauf seiner Darstellung auf solche philosophischen Ansätze ein, die sich umfassender mit der Sportethik befasst haben und bei denen Doping eine Thematik neben anderen ist. Nacheinander werden im Hinblick auf die Dopingproblematik das pragmatische (Lenk), diskursethische (Apel), funktionalistische (Gerhardt) und induktive Modell (Siep) vorgestellt und diskutiert. Zur Vervollständigung seiner Darstellung erläutert der Autor in einem dritten Schritt kombinatorische Ansätze wie das utilitaristisch-diskursethische Modell von Franke und das vermittelndfunktionale Modell von Court. Als Beispiele aus jüngster Zeit, dem 21. Jahrhundert, nennt er das utilitaristische Modell von Pawlenka, das Lebenskunst-Modell von Caysa und das evolutionäre Modell von Treml. Alle genannten Sportethiken sind sich darüber einig, dass Doping im Sport ethisch und moralisch nicht vertretbar ist.
Im Folgenden stellt Meinberg seinen Ansatz einer co-existenzialen Sportethik vor, die 1991 erschienen ist und den Anspruch hat, „Elemente für eine ‚neue‘ Ethik des Sports“ auszuarbeiten. Die co-existenziale Sportethik versteht sich vom Begriff der Co-Existenz her, der als ihre „Schlüsselkategorie“ angesehen werden kann. Co-Existenz wird demnach innerhalb dieser angewandten Ethik auf verschiedenen Ebenen deutlich. Zum Einen ist sie eine sowohl normativ als auch empirisch vorgehende Ethik, d.h. in ihr vereinen sich „Zu-Sollendes“ und „Ist-Zustand“, die aufgrund des Wechselspiels von Reflexion und Empiriebewußtsein einen höheren Realitätsgehalt als bloße „Sollensethiken“ hat. Zum Anderen ist sie Sportler- und Sportethik zugleich und weist damit über „das Selbst hinaus auf das Andere“, da nicht nur der Sportler und sein Handeln im Mittelpunkt stehen, sondern auch die Rolle der Institutionen des Sports mitbedacht wird. Sie ist Mikroethik und Makroethik in einem, als deren zahlreiche Bezugspunkte die Soziologie / Sportsoziologie, Pädagogik, Psychologie und Philosophie gelten, um die sozialen und kulturellen Rahmenbedingungen des Sports bei der Dopingproblematik mitzubedenken. Schließlich gibt Meinberg vor dem Hintergrund eines co-existenzialen Ethikkonzepts einen Überblick über die Verortung der Dopingproblematik innerhalb angewandter Ethiken, die sich auf Pädagogik, Trainer, Biologie, Technik, Medien und (Sport-)Recht beziehen. Aber auch die Feministische Ethik, die Wissenschaftsethik und die Politische Ethik schließt er in seine Überlegungen mit ein. Der Begriff der co-existenzialen Ethik ist also sehr elastisch und flexibel, was ihm Meinberg zufolge „möglicherweise zum Nachteil“ gereichen kann. Andererseits vergrößert dieser flexible Begriff den Anwendungsbereich enorm.
In allen seinen Ausführungen bezüglich der co-existenzialen Sportethik bleibt Meinberg verhalten optimistisch, da er eine notwendige Bedingung der erfolgreichen Dopingbekämpfung nicht vergisst, die da ist, dass die Ratsuchenden, hier: die Sportler, den Rat der Ethiker auch annehmen wollen müssen. Ohne diesen Konsens vermag auch eine anwendungsbezogene Ethik des Sports keine Wunder bewirken. Seiner Meinung nach wäre es jedoch „allemal der (ethischen) Mühe wert“.
Abgesehen von einigen vom Lektorat übersehenen formalen Fehlern, besticht die Darstellung Meinbergs durch seine klaren Strukturen und logische Argumentation. Nach einem ausführlichen Ausflug in die Geschichte der Sportethik legt Meinberg sein Konzept einer co-existenzialen Ethik des Sports klar dar. Aber auch die ethikpessimistischen Positionen werden von ihm sachlich-kritisch präsentiert. Die Lektüre dieses Buches ist jedem zu empfehlen, der die Dopingproblematik aus philosophischer Sicht angehen möchte. Vorkenntnisse bezüglich der Fachtermini im Bereich der ethischen Modelle können von Vorteil sein, sind jedoch nicht zwingend erforderlich.